Tourentraining und ein »Runder«

Der Bergdale wird 10Ruhig war es hier die letzten drei Monate – das Nachziehen der früheren Blogeinträge steht hinter der guten Auftragslage zurück. Luzie dagegen läuft ungebremst weiter, ganz ungeachtet ihrer 10 Jahre, die sie erschreckenderweise seit gestern nun schon alt ist. Wie schnell das geht! Erst neulich haben wir doch die erste gemeinsame Bergtour … ? Luzie sind solche Gedanken zum Glück schnurzpiepegal. So ungeguldig sie ihren Geburtstags-Crêpe verschlungen hat, so fit und engagiert wie eh und je ist sie bei den angelaufenene Vorbereitungen auf die Bergtouren des Sommers dabei. Der Bergdale wird 10In diesem Jahr stehen zwei Touren auf dem Programm: eine mit längeren Laufstrecken, möglicher Schnee- und Eispassage und einer fast nicht begangenen Etappe sowie eine zweite mit einem schicken Dreitausender. Gerade diesen haben wir schon lange auf der Liste und hoffen auf einen gnädigen Petrus. Auf den hoffen wir natürlich immer, aber dieses Mal noch ein kleines bisschen mehr – schließlich können wir nicht wissen, wie viele Sommer Luzie uns noch auf Bergtour wird begleiten können. Während wir Menschen – ganz Schreibtischtäter – für diese Touren eher Kondition und Tragkraftt auftrainieren, üben wir mit unserem Bergdale Trittsicherheit, Gleichgewicht und das bewusste Setzen der Hinterbeine. Wichtige Trainingsparcours sind uns dabei gut gesetzte Holzstammlager, möglichst groß, abwechslungsreich, komplex, auch mit glatter Rinde für Traktionsübungen. Auf meinem Lieblingsstapel habe ich ein frisches Video gedreht – viel Spaß beim Gucken!

Der Alpinhundblog zieht derzeit hierhin um!

Die neue Webseite ist schonmal da, der Alpinhundblog wird jetzt Stück für Stück nachziehen. Dann werden hier alle relevanten Meldungen des Bergdales vom ganz frühen Blog des abgeschalteten Portals »Der Airedale Terrier« und vom Zwischenblog auf der alten Webseite zusammengetragen. Und hoffentlich bekomme ich auch bald das mysteriöse Problem gelöst, dass Verlinkungen im Blog nicht farbig angezeigt werden :-/ Bis dahin müsst Ihr einfach mal ein bisschen mit der Maus in den Texten herumfahren – sie sind da, die Links, versprochen!

Videos, Videos, Videos!

Da wäre ja fast untergegangen, dass ich in Sachen Bewegtbild in den letzten fünf Monaten so einiges angestellt habe – der YouTube-Kanal hat sich um fünf weitere Videos auf jetzt zehn Clips verdoppelt! Neben einem kleinen Ausschnitt, der zeigt, mit welcher Sicherheit, Freude und Routine Luzie bei unserer Juli-Tour eine echt steile, echt rutschige Scharte hinunterturnt, habe ich eine bislang dreiteilige kleine Reihe »Geschickt bleiben im berglosen Alltag« zusammengestellt. Wir zeigen hier, mit welchen Übungen Luzie ihre Geschicklichkeit und Koordination für die Hochtouren beibehält. Ganz frisch abgedreht ist zudem mein erstes »richtiges« Bloggervideo. Wegen vieler Nachfragen dazu, wie Luzie es unter anderem schafft, sich im Hochgebirge beim kilometerweiten Turnen über Felsbrocken nicht die Haxen zu brechen, erzähle ich mal ein bisschen was über des Hundes mysteriösestes Körperteil, das … jawoll, Hinterbein. Noch ein bisschen ungewohnt, das Format, aber ich hoffe, für viele hilfreich!

Blog in Wartestellung, eine Anfixtour und ein richtig offizieller Artikel

Der Blog wartet weiter wegen der anhaltend superguten Auftragslage – naja, irgendwo muss das Geld schließlich herkommen, damit einem der Alpinhund nicht die Haare vom Kopf frisst und wir weiter Touren machen können. Aber es ist einiges passiert in der Zwischenzeit! Diesen Sommer haben wir, abweichend von unserem üblichen Frühherbstschema, eine kleine Juli-Tour eingeschoben, um den schon bergaffinen Neffen endgültig anzufixen: Zum zwölften Geburtstag haben wir ihm seine allererste Hochtour geschenkt, so richtig mit Seilversicherung, steilen Scharten, einem Gipfel auf 2.845 m und Übernachten auf einer Hütte. Luzie war selbstredend mit dabei, hat aber klar deutlich gemacht, dass die Hochsommertemperaturen so gar nicht im Sinne eines Airedales sind. Trotzdem war es eine tolle Genusstour für alle: für uns zwei Bergfexe, die den Nachwuchs in die richtige Spur bringen konnten; für den Bergdale, der ausreichend Schneefelder gefunden hat; für den Teenager, der einwandfrei sauber durch die Berge geturnt ist; und für die Eltern des Jungbergsteigers, die heldenhaft ihre Höhenangst überwunden haben und die zwei Tage dann doch fast immer genießen konnten – Chapeau! Die persönlich schönste Nachricht kommt allerdings aus dem Publikationsbereich, denn im aktuellen Heft 28 des Hundemagazins SitzPlatzFuss ist ein achtseitiger Artikel von mir und Luzie erschienen! »Mit dem Hund hinauf bis ganz nach oben« beschreibt auf acht Seiten die Ausbildung von Luzie, Grundlegendes zum Hund am Berg, gibt Tipps und nimmt Euch mit auf eine unserer Touren. Der Artikel ist natürlich voll bebildert – und vom Cadmos Verlag grafisch ganz toll gesetzt.

Wann ist ein Veteran ein Veteran?

Veteran – das klingt so … alt. Als ich kürzlich meine frischgebackene achtjährige Luzie, meinen mantrailenden Bergdale, zum zweiten Mal in ihrem Leben ausstellen wollte, war aber von vorneherein klar: Sie wird in der Veteranenklasse an den Start gehen. Es ist die Klasse für die ältesten Hunde, also die „Oldieklasse“, wenn man so will, und das für alle Rassen – ganz egal, ob für Airedales mit ihrer realistischen Lebenserwartung von vielleicht 13 Jahren, für Foxterrier, die gerne auch mal doppelt so alt werden können, oder die Irischen Wolfshunde, bei denen mit acht die meisten bereits tot sind. Als erwachsene Hündin dürfte ich Luzie zwar rein theoretisch auch in der Offene Klasse melden, wo noch die „richtigen“ Formwertnoten – V(orzüglich), S(ehr)G(ut) und so weiter – vergeben werden, aber dort tummeln sich meist besonders viele Hündinnen – eben alle erwachsenen von zwei bis sieben Jahren, die nicht schon einen Championtitel der Erwachsenen in der Tasche haben. Nun hat Luzie ein am Rassestandard gemessen nicht ganz optimales Fell und ich wenig Erfahrung im Selbst-Ausstellen, also hätten wir in der Offenen Klasse gegen all die versierten anderen Austeller kaum eine Chance auf einen Blumentopf. Die Veteranenklasse dagegen ist meist überhaupt nicht besetzt. Hier bekommt man eine richterliche Beurteilung wie in allen anderen Klassen auch, aber keine Formwertnote mehr, sondern nur noch eine Platzierung. Und man hat unabhängig von den anderen Hunden eine eigene Championwertung, den Veteranenchampion. Da stehe ich nun also mit meiner Gerade-eben-Veteranin, die ich in wochenlanger, mühseliger Rupferei und der Profiunterstützung ihrer Züchterin ganz passabel hergerichtet habe, im Ring vor der Richterin – und mein Hund freut sich und springt rum wie ein Teenager. Sehr zum Entzücken der Richterin übrigens, die offensichtlich über eine gehörige Portion Humor verfügt. Sie lobt die Frische, Energie und körperliche Fitness von Luzie – die bekommt eine sehr tolle Beurteilung, alle Championtitel-Anwartschaften, und den 1. Platz. Bei einem Starter, aber egal! Ich bin trotzdem überglücklich – über die Beurteilung, dass sich die Arbeit gelohnt hat, dass Luzie Spaß an den Runden im Ring hatte, obwohl die Wochen des stundenlangen Trimmens ihr sicherlich auf die Nerven gegangen sind, dass es vorbei ist, meine Anspannung endlich nachlässt. Ich lobe sie überschwänglich und bringe sie zurück zum Unterstand. Es wird Nachmittag werden, bis es in den Ehrenring des „Besten Veterans der Show“ geht. Und ich so sinniere vor mich hin. Bergdale - AlpinhundblogAxel war neun Jahre alt, als er bei mir einzog. Ein Jahr älter als Luzie jetzt. Alle Welt erklärte mich damals für verrückt, „so einen alten Hund“ aus dem Tierheim zu holen. Wie unfair gegenüber dem eben nicht mehr blutjungen Airedale! Dabei war er noch lange Zeit sehr fit. Bereut habe ich es nie, keinen Tag der sechs Jahre, die wir zusammen hatten, auch nicht, als er Medikamente brauchte und ich ihm mit damals für Hunde noch ungebräuchlichen physiotherapeutischen Mitteln seine Leiden linderte. Natürlich denke ich bei den vielen positiven Erfahrungen mit Axel nicht negativ an ihn zurück – und er ist ja auch der Grund, warum heute Airedale Luzie bei mir ist. Sicher habe ich inzwischen schon mehrfach darüber nachgedacht, wie viele Alpensommer mein Bergdale und ich noch im Hochgebirge haben werden. Einen, zwei? Oder drei? Axel hatte noch mit 14 Bergwanderungen gemacht, aber das waren keine harten Hochtouren wie das, was Luzie mit uns anpackt. Axel war zäh, hatte enormen Lebenswillen, aber auch Arthrose und Spondylose. Luzie ist vielleicht noch zäher, hat eine unendlich fröhliche Lebensenergie, aber nach einem Autounfall und vielen Operationen auch ein paar Organe weniger und ist durchzogen von Narbengewebe. Sie ist neugierig, überschäumend und gelenkig wie immer, ist im Berg noch genauso wenig zu bremsen wie früher, aber sie liegt seit diesem Jahr auch immer wieder einmal vor dem prasselnden Kamin oder in der prallen Sonne. Als würden ihre älter werdenden Knochen die Wärme suchen, dabei liebt sie die noch immer genauso wenig wie früher. Ja, sie verändert sich langsam. Wie viele Jahre ihr von ihrer genetischen Veranlagung her mitgegeben wurden, ob es so überdurchschnittlich viele sind wie bei Axel, das weiß ich nicht. Sie hat wahrlich bereits enormes Durchhaltevermögen bewiesen, erbringt noch immer keinesfalls alltägliche Leistunngen und hat sich höchste Anerkennung verdient. Von daher gesehen ist sie wie ein Soldat nach überstandenen Einsatzjahren, ja, eine Veteranin. Aber alt? Nein, das ist sie noch lange nicht, auch wenn sich in der Veteranenklasse die ältesten Hunde treffen. Alt wird sie sein, wenn ihr im Alltag sichtbar die Kraft schwindet, die Sinne nachlassen und sie nicht mehr mit auf Hochtour will oder kann. Zwingen jedoch werde ich sie zu nichts – dann machen wir eben nicht mehr die großen Touren, sondern kleinere zusammen. Es ist Zeit für den Ehrenring. Ich kämme Luzie kurz auf, und laufe mit ihr mit der Befürchtung zum Ring, dass sie es langweilen wird, wie heute Vormittag nochmal ihre Kreise im Viereck zu ziehen. Dass sie in ihren alltäglichen Das-ist-öde-ich-latsche-so-vor-mich-hin-Passgang verfallen wird, der natürlich bei einer Ausstellung so gar nichts zu suchen hat. Und was macht meine Bergveteranin? Sie spielt, ohne dass ich sie irgendwie motiviert hätte, genauso die Rampensau wie damals, als wir in der Welpenstunde von außen die verzückten „Ohs“ und „Ahs“ hörten, wenn sie merkte, dass alle sie ansahen, und sie sich in Positur warf. Ich könnte heulen vor Dankbarkeit für diesen Hund, der freudig bei allem mitzieht, was mir Spaß macht, und mir heute den allerersten Pokal meines Lebens auf den Kaminsims zaubert: Bester Veteran der Show. Mein bester Hund von allen, egal in welchem Alter. Als Welpe, der die Welt kennenlernt; als Erwachsene, die abgeklärt im vollen Saft steht; als Veteranin, die gestanden weiß, worauf es wann ankommt; und irgendwann dann auch als Oldie, der ich dann gerne die Alterszipperleins lindern helfen werde.

Die Rhön ist schön – und Luzie auch!

Dies ist wohl das Jahr der ungewöhnlichen Aktivitäten für den Bergdale: Statt Hochgebirge hieß es für uns ja Ende Mai zur Abwechslung Grenzwanderung im Mittelgebirge. Und was soll ich sagen – das war so schön, dass wir da sicher weiterlaufen werden und ich statt eines kleinen Blogeintrags darüber unbedingt einen ausgewachsenen, richtig offiziellen Artikel schreiben musste! Zum Weiterlesen hier entlang. Aber nicht nur die Rhön ist sprichwörtlich schön, sondern auch Luzie – ich hatte es Anfang des Jahres ja bereits angedeutet, dass ich mit dem Gedanken spiele, sie nach ihrem achten Geburtstag Anfang Mai mal in der Veteranenklasse auszustellen. Nun bin ich ja in der OG Mittelhessen des Klub für Terrier aktiv, und weil wir unsere Ausstellung in diesem Jahr nicht wie gewohnt im Februar machen konnten, sondern auf den Juli ausgewichen waren, habe ich die letzten Wochen fleißig weitergerupft. Was soll ich sagen – mit der Unterstützung von Luzies Züchterin an den richtigen Stellen ist das hier dabei rausgekommen … Bergdale - der Alpinhundblog Veteranenklasse gewonnen, und Luzie hat den Pokal für den besten Veteran der Ausstellung bekommen! Der allererste Pokal, den ich in meinem Leben auf den Kaminsims stellen kann. Meine kleine Heldin ♥ Unabhängig von dem schnöden Mammon hat mich jedoch am allermeisten das Urteil der Richterin gefreut, die selbst Welsh Terrier züchtet. Die Bewertung auf dem Richterbogen war schon mal super, aber sie war vor allen Dingen begeistert, wie frisch, locker, motiviert und körperlich fit meine „Veteranin“ ist. Jaja, die Veteranen. Klingt wirklich unpassend, wenn ich Luzie so ansehe, obwohl sie sich natürlich schon verändert hat. Aber das ist Stoff für den nächsten Blogeintrag.

The Alpinedale comes home – sozusagen

Noch bevor wir in diesem Jahr irgendwas Berg- oder Trekkingartiges unternehmen und endlich Steine, Erde und Gras unter unseren Füßen und Pfoten zu spüren bekommen, bewegt sich an der Veröffentlichungsfront etwas – und zwar Richtung Großbritannien, des Airedales Heimatland: Seit Kurzem gibt es auch dort den Alpinhundkalender!

Dieses Jahr backen wir kleinere Berge

Die Tourenplanung ist immer eine wunderschöne Zeit – der Kopf voller Ideen, was man immer schon mal laufen wollte, die Zeitplaner von zwei Leuten in der Hand mit der Frage, wann man gemeinsam Urlaub bekommen kann, und das alles am prasselnden Kaminfeuer bei einer guten Flasche Wein. Da fallen die geistigen Höhenflüge über gletscherbedeckte Alpenkämme nicht schwer. Man riecht die Bergluft, hört das Klimpern der Ausrüstung, spürt das Schnaufen in den Lungen beim Aufstieg – und die Freiheit im Sein, so weit weg von der gewohnten Zivilisation. Bergdale - der Alpinhundblog Dieses Jahr aber wird alles anders. Uns gefallen ja nicht nur die Alpen, und schon lange wollten wir einen der großen Fernwanderwege beginnen. Wir folgen daher wir gewissermaßen dem „Downsizing“-Trend, zumindest was die Höhe der Berge angeht: Wir wollen anfangen mit dem Laufen des deutschen Teils vom … … Grünen Band! Dieser auf eine Naturschutzinitiative hin entstandene Ultra-Fernwanderweg mit einer Länge von mehr als 12.500 km verläuft auf dem in weiten Teilen naturbelassenen Eisernen Vorhang, der früher den Westen vom Osten abgrenzte. Das Band verläuft von Nordfinnland durch 24 Länder hindurch bis hinunter nach Griechenland. Ich kann gar nicht sagen, wie verlockend ich es fände, die ganze Strecke … nein, nein, nein, das lassen die Arbeitgeber und andere Verpflichtungen, die wir mehr oder weniger freiwillig eingegangen sind, nicht zu. Naja, vielleicht noch nicht. Zunächst jedenfalls wollen wir uns das Grüne Band Deutschland vorknöpfen, mit 1.400 km Gesamtlänge ja nun auch nicht gerade ein Sonntagnachmittagspaziergang. Bergdale - der Alpinhundblog Gestern ist endlich die druckfrisch erschienene Neuauflage des Wanderführers von Reiner Cornelius mit der Post eingetrudelt, und wir können mit der Routenplanung loslegen. Ich bin gespannt, wo uns der Urlaub hinführt, denn bisher kenne ich die ehemalige deutsch-deutsche Grenze nur von den zahlreichen Besuchen bei unseren Verwandten in der damaligen DDR. Jede Grenzüberfahrt war für mich als Kind ein beeindruckend-gruseliges Mini-Abenteuer, flankiert von schwer bewaffneten Grenzern, die uns im freundlichkeitsbefreiten Befehlston unser Auto auspacken ließen und anschließend halb auseinandernahmen. Dass ich die gleiche (Ex-)Grenze jetzt entlangwandern kann, umgeben von Natur, gemeinsam mit meinem Partner und unserem Bergdale, der für diesen Sommer zum Trekkingdale wird, das ist damit so etwas wie meine ganz eigene, dankbare Form von „Schwertern zu Pflugscharen“! Ich freue mich aber auch besonders darauf, Schritt für Schritt die wechselnden Regionen zu erlaufen. Wenn auch nicht auf einmal, so doch aber hoffentlich irgendwann ganz. Und dann vielleicht doch noch den europäischen Gesamtweg … damit würden wir auch dann zwar kleinere Berge backen, aber auf jeden Fall längere. Sehr viel längere.
Kleine Alpenüberquerung – mit großem kleinem Bergdale

Kleine Alpenüberquerung – mit großem kleinem Bergdale

Wie so oft heute geht mein Blick nach oben und bleibt an der Stange hängen, die weithin gut sichtbar die Scharte auf dem Hauptkamm markiert. Schon in der Früh hatte sie ganz nah gewirkt – dabei hat sich die gefühlte Distanz nicht verändert. Um mich herum liegen in alle Richtungen bis zu kleinwagengroße Granitfelsen wild durcheinander, als hätte ein Riese sie mit einem ebenso riesigen Eimer ausgeschüttet. Trotz der Höhe ist es warm hier im Talschluss, der wie ein Amphitheater geformt und nach Süden ausgerichtet ist: Die Steine heizen sich seit dem Morgen im strahlenden Sonnenschein auf. Luzie hat sich, wie bei jeder kurzen Verschnaufpause, in eine schneegefüllte Felsnische verkrochen. Ich wuchte mich und meinen Rucksack wieder hoch, sage zu ihr: »Auf geht’s, weiter«, und helfe ihr auf den nächsten Granitbrocken hinauf.

Wir sind am Alpenhauptkamm unterwegs. Genauer gesagt ist unser eingespieltes Mensch-Hund-Dreierteam dabei, den zentralen Bergrücken in den österreichischen Ostalpen von Süd nach Nord zu überqueren, mit seilversicherten Pfaden, Klettersteigpassagen, Blockgelände, Graten, Altschneefeldern, Gletscherzungen – also alles technisch problemlos für uns und unseren Bergdale und gleichzeitig so schön herausfordernd, wie wir es mögen und wie Luzie vergnügt dabei ihre roten Packtaschen trägt oder sich im Spezialgeschirr durch senkrechte Felswände abseilen lässt.

Eine ganz tolle Idee – ehrlich

Der Plan, den Hauptkamm zu überqueren, hat sich wie so oft aus einer Schnapsidee entwickelt. Wir hatten bereits einige schwere Hüttentouren in unserem Stammgebiet gemacht, dem Nationalpark Hohe Tauern vom Zillertal bis zur Venedigergruppe auf der Nordseite des Hauptkamms. Freunde von uns verbringen auf der Südseite regelmäßig ihren Urlaub; keine 30 Kilometer Luftlinie entfernt, aber wegen der wenigen Straßen, die über den Hauptkamm führen, fast zwei Stunden Autofahrt plus Mautgebühren. Da ist man ja schneller gelaufen! Gesagt, gelacht – und in die Planung gestürzt.

Im Moment jedoch kommt mir das alles wie eine wahre Schnapsidee vor. Schon sehr früh heute Morgen ist deutlich geworden, dass es die so sorgfältig ausgewählte Strecke in sich hat. Es ist nicht einfach eine schwere Hochgebirgsroute, das war uns vorher klar gewesen. Auch, dass die sich zurückziehenden Gletscher die Wege stark verändern, ist für uns nichts Neues, selbst wenn das Ausmaß in dem Tal, das wir durchlaufen, besonders extrem ist. Nein. Kalt erwischt hat uns, dass die Alpenvereinssektion, die dieses Wegstück betreut, offenbar seit Jahren nichts für den Wegeerhalt unternimmt. An sich ist das angesichts der Kosten und des Aufwands ja nicht verwerflich, allerdings ist in keinem der Gebietsführer oder Karten des Alpenvereins und an keinem Wegweiser vermerkt, dass die Wegmarkierungen veraltet sind und vor allem – durch die schwindenden Gletscher und Schneefelder – große Lücken aufweisen. Fast den ganzen Tag schon bremst uns die Suche nach Wegmarken und einer auch für Luzie gut gangbaren Route aus. Dazu kommt die ständig notwendige Geländebeurteilung in den kilometerlangen Blockfeldern, unter denen sich noch immer Gletschertore und -abflüsse befinden. Das Vorwärtskommen ist ungewöhnlich kraftraubend und mühselig, und trotz großzügig geplanter Zeitreserven sehen wir mit wachsender Sorge auf die Uhr.

Das ideale Drei-Tage-Wetterfenster

Dabei hatte die Tour wunderbar begonnen. Am ersten Tag waren wir mit Zug und Bus in vollem Marschgepäck ins Virgental gefahren. Der Aufstieg von Prägraten auf die Eisseehütte war warm, wartete jedoch mit herrlichen Ausblicken aus dem Lärchenwald hinaus ins Tal auf. Sogar der höchste Berg Österreichs, der Großglockner, zeigte sich. Nach einer kurzen Nacht auf der Eisseehütte war das Gelände dann aber endlich ganz nach unserem Geschmack: von der kalten Hochgebirgsnacht überfrostete kleine Seen, Pfade statt breiter Wege, viel Fels, noch mehr Murmeltiere – und dann, plötzlich, eine schier unendliche Fläche voll blühenden Edelweiß! Es müssen Tausende gewesen sein. Ein unglaubliches Bild, das ich auch in den hintersten Winkeln eines Nationalparks nicht erwartet hätte. Nach einem tiefdunkeltürkisblauen Gletschersee und dem Aufstieg zur Zopetscharte, der deutlich einfacher war als erwartet, hatten wir die Muße für eine ausgedehnte Pause auf dem gemütlich breiten Gratübergang, der rundherum ein herrliches Panorama zu bieten hatte. Es war ein perfekter Tag in den Bergen, gekrönt von Sonne, blauem Himmel und Schäfchenwolken. Wir genossen ihn bewusst – wohlwissend, dass der nächste Tag hart werden würde. Wie hart, ahnten wir auf dem Weg zu unserem Nachtlager in der Johannishütte jedoch nicht.

Der Hauptkamm tut alles, um uns den Weg zu versperren …

»Schau mal«, reißt mich Michas Stimme aus meinen Gedanken. Er deutet auf den Boden zwischen uns. Der sonnengebleichte Schädel eines Murmeltieres grinst mich mit langen, gelben Schneidezähnen an. Zwischen den Steinen liegen Rippen, Beinknochen, die Wirbelsäule. Ob der Kerl von einem Adler nach hier oben verschleppt und verspeist worden ist? Die letzten Murmeltiere auf dem Weg hierher haben Luzie jedenfalls 400 Höhenmeter weiter unten und einige Kilometer entfernt in Erregung versetzt. Die verwitterten Knochen dagegen ignoriert sie. Sie ist schon wieder in einer Felsritze verschwunden und drückt die dicken Pfotenschuhe in den kühlenden Schnee. Zum ersten Mal brauchen wir diesen hilfreichen Schutz in den Bergen – die frisch vom ewigen Eis freigegebenen Granitblöcke der letzten Kilometer sind so rau, dass Ballen und Krallen inzwischen bis an ihre Grenzen heruntergeschmirgelt sind. Die Packtaschen haben wir schon lange gegen das Abseilgeschirr getauscht, um ihr die Navigation durch das Meer von Felsblöcken zu erleichtern und hier und da – wörtlich genommen – eingreifen zu können.

Doch jetzt zeichnet sich endlich ein Ende der Aufstiegstortour ab. Wir sind inzwischen doppelt so lange unterwegs, als in den Routenführern angegeben ist. Ein Hund im Team erfordert auf schwierigen Routen etwas mehr Zeit als ein weiterer Mensch, und wir selbst sind zudem auch keine schnellen Geher. Es ist aber hauptsächlich die schwierige Wegsuche, wegen der wir erst am frühen Nachmittag den Fuß auf das Obersulzbachtörl setzen. Wir haben es geschafft. Wir haben es wirklich geschafft! Wir sind stehen auf dem Hauptkamm, der großen Wetterscheide zwischen Nordalpen und Südalpen, auf fast 3.000 Metern Höhe, direkt zwischen den beeindruckenden Felsmassiven des Großen Geigers und des Großvenedigers.

… und belohnt uns mit einem tiefen, demütigen Glücksgefühl!

Ich atme erleichtert durch. Es geht ein lauer Wind, in dem Luzie die Fliegen vor der Nase herumtanzen. Sie weiß sofort, was zu tun ist: die nervigen Insekten vernichten. Was juckt da das großartige Panorama und die harten letzten Stunden – manchmal ist es ein Segen, wie schnell Hunde umschalten können. Wir breiten uns erst einmal auf dem schmalen, scharfkantigen Grat aus und genießen den Ausblick und dass der Aufstieg geschafft ist. Es gibt eine Brotzeit für alle. Auch für Luzie haben wir natürlich immer besondere Leckereien in petto, selbst wenn sie sie zur Motivation sicher nicht bräuchte. Ich bin aber so dankbar dafür, wie sie so wunderbar mitarbeitet, dass ich es nur richtig finde. Und mein verfressener Hund beschwert sich darüber natürlich nicht!

Der Weg geht auch nicht einfacher weiter. Der Grat ist auf der Nordseite über etwa 35 Meter so steil, dass wir abseilen müssen. Nachdem wir unsere Freude wieder etwas gezügelt, die Gurte angelegt und den Abseilpunkt eingerichtet haben, gehe ich vor und nehme kurz darauf Luzie in Empfang. Sie läuft wie bei allen nicht ganz senkrechten Wänden sicher angeseilt mit dem Kopf voraus bergab. Mit gespitzten Ohren und hoch erhobener Rute kommt sie in einem Wahnsinnstempo auf mich zu, dass mir etwas bange wird. Doch dann wird mir klar, warum: Hinter mir liegt ein ausgedehntes Schneefeld. Luzie wittert Spaß! Als wir die von der Sonne etwas aufgeweichte Fläche betreten, ringelt sie dann auch die Rute unter den Bauch, senkt das Hinterteil ab und fetzt Runde um Runde voll unbändiger Freude durch das so winterliche Weiß. Ich schüttele den Kopf. »Vor einer Stunde noch war sie die personifizierte Unlust!« In Michas Gesicht hat sich das gleiche glückliche Grinsen ausgebreitet wie bei mir. Airedales sind die geborenen Darsteller, und Luzie strahlt gerade aus jeder Pore ihres Daseins puren Spaß aus. Das ist wunderbar ansteckend.

Es bleibt hart – und wunderbar

Vor uns liegt jetzt noch ein mehrstündiger Abstiegsweg, auch wenn die Kürsinger Hütte von der anderen Talseite schon bald darauf verlockend herübergrüßt. Das Blockgelände hier auf der Nordseite ist noch sehr großflächig mit Schnee bedeckt, was uns und vor allem Luzie das Gehen immens erleichtert. Zudem hat der Österreichische Alpenverein, der den Weg auf dieser Seite betreut, ganze Arbeit geleistet: Zwischen den Schneefeldern ist der Streckenverlauf hervorragend markiert. Die Unruhe, die uns während des langwierigen, sich immer weiter verzögernden Aufstiegs zunehmend begleitet hat, löst sich, und unsere Stimmung hellt sich auf. Vom Wetter kann man das nicht sagen – etwas früher als vor drei Tagen vorhergesagt zieht ein Schlechtwettergebiet herein. Wir hoffen, die Hütte noch vor Einbruch der Dunkelheit und dem ersten Regen zu erreichen.

Die Überraschungen nehmen kein Ende

Ein Grund, warum wir die Strecke von Süd nach Nord laufen wollten, statt wie ursprünglich geplant in die umgekehrte Richtung, war, dass wir die nordseitige Strecke zum Teil bereits kannten. Bei früheren Aufenthalten auf der Kürsinger Hütte hatten wir das letzte Drittel des Abstiegswegs schon einmal begangen. Dadurch konnten wir es riskieren, zur Not in die Dunkelheit und die Erschöpfung hineinzulaufen, zudem ist dieses Teilstück fast eben mit nur wenigen potenziellen Absturzstellen. Uns stand allerdings auch noch die Querung zweier Gletscherzungen des Obersulzbachkees bevor, die vom Großvenediger herunterkommen. Ihre zahlreichen, mäandernden Abflüsse sind so tief und haben eine solch starke Strömung, dass ein Durchwaten nicht möglich ist. Allein wegen dieser Querung hatten wir tagelang unsere Steigeisen in den Rucksäcken mitgeschleppt – und ich in meinem Kopf die Sorge, ob wir eine gute Stelle finden würden, an der unsere ungewöhnliche Dreierseilschaft gut auf die andere Seite des Eispanzers gelangen konnte. Einen Versuch in die Gegenrichtung hatten wir im Jahr zuvor unter anderem deshalb aufgeben müssen, weil durch den Rückzug der Gletscher der frühere Routenverlauf nicht mehr existierte und der Zeitverlust bei der Suche nach einem neuen gangbaren Weg zu groß wurde. Trotz der guten Bedingungen auf dem Abstieg nahm meine Unruhe angesichts der zunehmenden Dämmerung daher wieder zu.

»Eine Brücke!« Vor mir ist Micha unvermittelt stehen geblieben. »Die haben überbrückt!« Er deutet mit ungläubigem Blick auf einen der großen Gletscherabflüsse. Ich bin baff – und erkenne ein Stück weiter eine zweite Brücke in dem weitläufigen Schwemmgelände. »Da ist noch eine … da drüben auch …« Es kommt mir wie ein Traum vor. Die hiesige Alpenvereinssektion hat insgesamt fünf Brücken über die Flussläufe errichtet. Damit fällt die Anspannung des Tages endgültig von mir ab. Ich hätte gern die Zungen gequert; in einer Seilschaft mit Steigeisen war ich schon lange nicht mehr unterwegs. In der zeitknappen Situation aber bin ich einfach nur froh, dass wir nun die Hütte mit Sicherheit noch bei Tageslicht erreichen.

Das Unerwartete kommt zuletzt

Schließlich sind wir inzwischen seit elf Stunden unterwegs, mit insgesamt nur eineinhalb Stunden Pause. Kurz hinter der letzten Brücke, als wir das beeindruckend schöne Gebiet der Gletscherabflüsse hinter uns gelassen haben, ist es dann soweit: Micha und ich laufen auf Autopilot. Luzie ist inzwischen immerhin so ausgepowert, dass sie sich leicht davon  abhalten lässt, in den schnell fließenden Gletscherabflüssen planschen zu gehen, doch sie ist noch immer gut drauf und will Murmeltiere jagen – während uns beiden Menschen die Feinmotorik in den Beinen vollends abhandengekommen ist. ›Das ist der Zustand, in dem beim Abstieg die tödlichen Abstürze passieren‹, schießt es mir durch den Kopf. Die Erkenntnis macht mich wieder ein bisschen wacher. Ich finde es gut, meine Grenze zu diesem Zustand zu erleben und in ihm auf diesem wenig gefährlichen restlichen Wegstück, das ich schon kenne, laufen zu müssen. Luzie lege ich irgendwann die lange Bandschlinge an, die uns auch als Leine dient. Es ist einfach zu anstrengend, sie ständig von der Murmeltiersuche abzurufen. Und zu gemein, mitanzusehen, wie fit dieser Terrier nach einer derartigen Ochsentour noch ist.

Elementare Dinge – und eine heiße Dusche

Nach zwölfeinhalb Stunden kommen wir mit dem letzten Tageslicht auf der Kürsinger Hütte an. Drinnen ist es voll und laut – ein unglaublicher Kontrast zu unserer stillen, einsamen Etappe heute, bei der uns nach unserem Aufbruch von der fast noch schlafenden Johannishütte nur eine Handvoll Kühe, ein Adler, zwei Steinböcke und das tote Murmeltier begegnet sind. Es ist Wochenende und gutes Wetter, da ist die Laune der Bergsteiger wie immer gut und der Ansturm auf den Hausberg groß: Die Hütte ist als die Erstbesteigerhütte des Großvenedigers schließlich ein Klassiker und hat heute fast 200 Schlafplätze. Wir können nur hoffen, dass unser reserviertes Zimmer noch da ist, denn wir hatten unterwegs kein Telefonnetz, um unsere Ankunftsverspätung durchzugeben. Der wortkarge Wirt hat auch nicht mehr mit uns gerechnet. Doch wir haben Glück, und ein warmes Essen können wir ebenfalls noch bekommen. Als er hört, von wo wir heute herübergelaufen sind, zieht er vielsagend die Augenbraue hoch. Ein anerkennendes Schmunzeln zieht sich durch sein Gesicht.

Das ist Balsam für unser abgekämpftes Dreierteam. Luzie bekommt heute Abend eine besonders große Ration, wir selbst gönnen uns auf diesen Tag abschließend einen Schnaps und fallen schnell ins Bett. Wir sind erschöpft von den Etappen der letzten Tage, high von der grandiosen Hochgebirgswelt, mit schmerzenden Muskeln, Knochen und Gelenken, aufgeputscht von der Überschreitung der eigenen Leistungsgrenze. Morgen steigen wir ins Tal ab, die Strapazen haben damit für dieses Jahr ein Ende. Der Gedanke an eine heiße Dusche, die Sauna und daran, in frischen, sauberen Klamotten am warmen Kachelofen die Füße hochzulegen, ist jetzt mehr als verlockend. Und doch: Noch während ich in den Schlaf drifte und mein Bergdale neben meinem Bett bereits tief und fest schlummert, überlege ich mir, welche Touren wir drei als Nächstes machen könnten. Luzies befreites Strahlen, wenn wir drei zusammen unterwegs sind, ihr Rudel komplett ist, gemeinsam etwas unternimmt, macht das Wandern durch das grandiose Hochgebirge perfekt. Es bringt meine Seele zum Glühen.

Aufstieg Eisseehütte
Erfrischung für alle
Essen nicht immer alles für alle
Edelweiß
Warten auf die lahmen Zweibeiner
Aufstieg zur Zopetscharte
Zopetspitze (3.198 m) von der Zopetscharte (2.958 m) aus
Blick auf den Eissee
Blick Richtung Virgental
Seine weltalte Majestät, der Großvenediger (3.667 m) von Süden
Mit Hund unterwegs!
Dorfertal oberhalb der Johannishütte, Blick zum Hauptkamm mit dem Obersulzbachtörl
Beginn des Aufstiegs zum Obersulzbachtörl am Ende des Dorfertals
Blockgeländequälerei mit Blick auf die Ostseite des Großvenedigers (3.667 m) mit seinem legendären Gipfelgrat
Schuttbedeckte Gletscherreste
Liniensuche im frisch freigetauten Blockgelände statt easy-going Schneefeldquerungen
Ex-Murmeltier kurz unterhalb des Obersulzbachtörls
Angekommen! Rast auf dem Obersulzbachtörl (2.918 m), im Hintergrund der Große Geiger (3.360 m)
Schlechtwetter hinter der Kürsinger Hütte
Gletscherzungen des Obersulzbachkees, vom Großvenediger kommend
Die Wegmarken werden größer – wir sind fast am Ziel