Die gute Nachricht vorneweg: Nach dem abgebrochenen Juni-Tourenversuch wegen des gebrochenen Arms hat jetzt alles so geklappt wie geplant. Und der Rest: war einfach nur besser!
Lokis erste richtige Hochtourenrunde nach der „Tour light“ vor zwei Jahren zu seiner Grundausbildung hatte es gleich in sich: Als jetzt gut zweieinhalbjähriger Rüde, der voll im Saft steht und alles fürs Hochgebirge gelernt hat, was er braucht (nur das Abseilen bedarf noch weiterer Übung, aber das war dieses Mal nicht erforderlich), hatten wir eine richtig große Runde von Hütte zu Hütte vor. Die letzten ernsthafteren Touren waren in diesem Jahr schließlich schon fünf Jahre her, denn Luzies letzter Bergsommer war 2018 gewesen.
Was haben wir gemacht?
In unserem Stammgebiet, den Hohen Tauern, hatten wir eine Fünf-Tages-Rundtour mit Übernachtungen auf vier hundefreundlichen Hütten zusammengestellt. Kannten wir die einzelnen Etappen und Hütten bereits alle, so waren wir viele der Wege bisher in anderer Richtung oder vor vielen Jahren zuletzt gelaufen, vieles hat sich über die Jahre im Hochgebirge auch geändert. Es wird also nie langweilig dort oben, und wir freuten uns auf die Wiedersehensmomente. Außerdem wollten wir einfach wieder einmal so richtig gründlich raus aus dem Alltag.
Die gesamte Tour bewegte sich zwischen dem Startpunkt auf 1.700 m und dem höchsten Punkt von 2.800 m. Gipfel waren dieses Mal keine dabei, dafür vier Scharten zwischen 2.600 und 2.700 m mit wahrlich herrlichen Aussichten am Alpenhauptkamm.
Tag 1
Start ist in einem kleinen Skiort, wo wir das Auto stehenlassen können. Nach harmlosem Aufstieg auf gut 1.900 m geht es durch einen verwunschenen Waldpfad hinunter auf 1.300 m. Ein Tälertaxi transportiert uns ans Ende des langen Hochtals, wo wir auf der insgesamt mittellangen Laufetappe zur ersten Hütte auf gut 2.300 m aufsteigen, damit endlich eine brauchbare „Reisehöhe“ erreicht haben – und wir freuen uns auf das wohl feinste Essen der Tour.
Loki ist mit seinen 4-kg-Packtaschen bestens gelaunt und läuft bereits merklich routinierter als im Juni. Dies war übrigens auch die Etappe mit dem Sturz und dem gebrochenen Arm gewesen.
Tag 2
Der kilometermäßig kürzeste Abschnitt führt uns nach einem Abstieg von der Hütte und durch ein Stück grünen Weidegrund in einem langen, endlos steilen Anstieg zur Scharte auf 2.700 m an einem wolkenlosen Vormittag nach Südtirol. Trotz leichten Winds brät man im Hochgebirge – ohne den schattigen Schutz von Bäumen – in der Sonne, der aufgeheizte Felsenuntergrund reflektiert die Wärme zusätzlich von unten.
Während wir uns also den Steilhang hinaufquälen, hopft Loki um uns herum hoch und runter und treibt uns und die anderen Wanderer auf der Strecke fröhlich an. Immerhin sucht auch er ständig nach Wasser und legt nachmittags mit uns eine Siesta im kühlen Winterraum ein, in dem wir mit Hund in der Südtiroler Hütte und damit in Italien übernachten.
Tag 3
Die längste Etappe führt uns über zwei Scharten bei unverändert heißem Spätsommerwetter, wir starten daher sehr früh. Der Streckenverlauf zurück nach Österreich bleibt den ganzen Tag über weit oben, pendelt zwischen 2.300 und 2.700 m und ist vor allem eins: felsig. Blockgelände, Kilometer um Kilometer. Rauf, runter, rauf, runter in nicht enden wollendem Wechsel. Die Geherei erfordert dauerhaft Konzentration und Kraft. Nach neun harten Stunden kommen wir auf der Hütte an, die für uns eine unserer Heimathütten ist. Und Loki ist endlich einmal richtig ausgelastet.
An diesem Tag allerdings ist er wirklich ziemlich k.o., und das hat er sich ganz allein eingebrockt: Kurz vor Etappenende meint er, im Steilgelände eine Extra-Sprintwertung einlegen zu müssen, als er sich von einem Murmeltierpfiff zum Durchgehen animieren lässt und wir die Schleppleine nicht gut genug im Griff haben. Boah, dieser Dre*zensiert*! Er merkt ziemlich bald, dass er eigentlich gar nicht weiß, wo das Murmel genau steckt, einfach nur ins Blaue hinein losgespurtet ist und dann ziemliche Mühe hat, wieder zu uns hinaufzukraxeln. Er richtet sein Krönchen und wir seine jetzt schief hängenden Packtaschen. Er ist halt doch immer noch ein überschäumender Jungrüde mit Lernpotenzial … und ich beschließe, zum Abstumpfen wieder das Murmeltierpfeifen als Klingelton auf meinem Handy zu installieren. Das hat schon bei Luzie Wunder gewirkt.
Besonders freut uns, dass Loki sich von dieser einen Ausnahme abgesehen wirklich top benimmt und überall gut ankommt. Klar gibt es bei Hüttengästen, die uns das erste Mal sehen, wie immer viel Getuschel, doch wird er sehr positiv aufgenommen. Ein paar Mal haben wir auch darauf hingewiesen, dass er in seinen Packtaschen nicht unseren Kram schleppt, sondern vor allem sein eigenes Futter – schließlich bekommen wir Menschen auf den Hütten zu essen, der Hund aber nicht. Das haben viele der hundelosen Wanderer genauso wenig auf dem Schirm wie den Umstand, dass wir eben nicht nur ein, zwei Tage unterwegs sind, sondern länger. Und da Loki auch mit Zuladung sehr offensichtlich auch noch am Ende eines langen Tages Spaß und immer mehr Energie übrig hat als wir, sind die zunächst etwas zweifelnden Wanderer nach unseren Begegnungen auch alle beruhigt weitergezogen.
Tag 4
Die nächste mittellange Etappe steht an, die zunächst runter auf 2.100 m und dann hinauf zum höchsten Punkt dieser Tour auf 2.800 m führt. Die Wegstrecke kennen wir wie unsere Westentasche, sind sie jedoch erst einmal in dieser Richtung gelaufen. Ich liebe sie einfach! Und am Ende wartet unsere Lieblings-Heimathütte auf uns, die neben heißen Duschen auch eine fantastische Küche bietet. Es ist immer, wie nach Hause zu kommen bei dieser herzlichen Wirtsfamilie.
Da wieder viel Fels und Blockgelände auf uns warten, bekommt Loki vorsichtshalber zunächst die Pfotenschuhe angezogen. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass er sich blutig läuft; Luzie war mit ihren Krallen sehr empfindlich gewesen, was das angeht. Der Grip ist aber einfach nicht ganz so gut wie mit Ballen und Krallen, gerade wo der Jungspund noch so viel mehr herumalbert wie die alte Berghäsin, also kommen die Schuhe noch vor dem Ende der Etappe doch wieder runter.
Tiefhängende Wolken sind über den Hauptkamm geschwappt, und so lassen wir den Knapp-2.900er-Gipfel aus, der am Wegrand liegt, über noch mehr Blockgelände erreichbar wäre und nur bei klarer Sicht seinen schier atemberaubenden Panoramablick bieten würde. Wir kommen regennass auf der Hütte an, freuen uns über den leistungsstarken Trockenraum und mit die leckersten und opulentesten Kuchen weit und breit.
Tag 5
Es geht zurück ins Basislager, auf einem wieder längeren Abschnitt und mit 1.000 Hm Abstieg bei Nässe von oben und unten. Der Weg nach Hause wird von einem knackigen Aufstieg unterbrochen – erstmals nach Tag 1 wieder eine landschaftlich wunderschöne Waldpassage, die ich gern als „Wegkonzentrat“ bezeichne: 350 Hm auf deutlich weniger als 1 km Wegstrecke. Mit den vorherigen Etappen in den Knochen geht das jetzt doch ganz schön auf die Gelenke, schließlich tragen wir jeweils rund 10 kg Rucksack auf dem Rücken. Lokis Packtaschen sind dagegen inzwischen federleicht geworden, hat er doch fast alles Futter weggemampft.
Dank der kühleren Temperaturen kommen wir dennoch flott voran, und ich bin froh, die schmerzenden Beine bald im Auto ausstrecken zu können und – frisch geduscht in sauberen Klamotten – am kuscheligen Kaminofen auf die Tour anzustoßen. Mit einem sehr zufrieden im Körbchen schnarchenden Loki zu Füßen.
Wie war der Nachwuchs-Bergdale?
Loki zeigte sich sichtlich routinierter und gelassener – wir können den Zusatz „Nachwuchs“ jetzt streichen. Egal, welches Gelände es hat und welche Brücke oder Leiter wo drüberführt, er läuft ohne zu zögern, angemessen und sicher mit allen vier Pfoten. Das Einzige, was er nicht mochte, war der Gitterboden eines kleinen Skywalks, der wie ein freischwebender Balkon an einer Felswand hing. Nicht der Blick in die Tiefe war das Problem; er findet wie viele Hunde das Gitter an den Pfoten einfach blöd.
Noch sind wir nicht so blind eingespielt wie mit Luzie, die sich dem Gelände entsprechend automatisch an unser Verhalten und die äußeren Anforderungen anpasste. Das kommt mit der Zeit. Man merkt jedoch bereits klar, dass der Weg bei Loki in die gleiche Richtung geht. Und was er in diesen fünf Tagen für sich entdeckt hat, ist die Kunst des von Luzie perfektionierten Powernappings: Kaum bleiben wir länger als eine Minute irgendwo stehen, verfällt der Hund an Ort und Stelle in Tiefschlaf.
Loki hält sich zuverlässig von Kühen fern, was besonders mir eine echte Erleichterung ist. Schafe findet er dagegen supertoll, auf die trifft man häufiger frei weit oberhalb der bewirtschafteten Almen – hier müssen wir ihn nachhaltig zügeln, denn die Herden haben in der Regel einen Hammel dabei, der verständlicherweise seine Mädels beschützen möchte. Entsprechend hätte Loki auch zu gern die Gams begrüßt, die unseren morgendlichen Aufbruch von einer der Hütten in unmittelbarer Nähe genauestens beobachtete. Die Steinböcke an einem Schartengrat wiederum hat er nicht wahrgenommen – da kam ihm doch glatt ein Powernap dazwischen.
Nappen können wir alle drei nach diesen herrlichen fünf Tagen in der wilden Hochgebirgsnatur nun ganz wunderbar. Mit 50 km, 3.300 Hm rauf und 3.900 Hm runter in den strapazierten Knochen sind wir bereit, den restlichen Urlaub ohne weitere Anstrengungen zu genießen. Sogar Loki. Für ein, zwei Tage vielleicht. Dann ist seine Energie wieder voll da.